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14 Dezember

01.12.14  


Berlin ist für mich eine fremde Stadt geworden. Seit wann gibt es beleuchtete Litfasssaäulen.

Kuhdamm.

Gudrun Max und Karlheinz Oplustil, die schon oft bei mir auf dem Bauernhof gewohnt haben. Für die Autobiographie versuchen wir zu klären, wann und wo ich Gudrun kennengelernt habe und wir kommen der Klärung schon näher. Es muss 1983 gewesen sein.

Norbert Grob, der mir eine soeben erschienene, von ihm geschriebene Biographie von Fritz Lang zeigt, und Hans-Helmut Prinzler.

Eine Schauspielerin und ihr Ehemann, die beide Katrin Meyer und Ute Adamczewski kennen. Katrin Meyer hat 1999 das Design meiner Website gemacht und Ute Adamczewski hat es mehrere Jahre upgedatet. Mit der Schauspielerin habe ich vielleicht geflirtet. Auf jeden Fall viel geredet.

02.12.14  
Jetzt ist es wirklich schon Winter hier auf dem Bauernhof. Sogar der der Dorfteich ist trotz der "bodennahen Ostwinde" teilweise zugefroren. Vom Fahrradfahren kann ich heute nur noch träumen.

Die Südseeinsel Ureparapara, wo ich "BESCHREIBUNG EINER INSEL" gedreht habe.

Petra Seeger hat die Form von drei Lieblingsorten von mir recherchiert und mir gemailt. Außer Ureparapara, Santorin ("DIE SONNENGÖTTIN") und die Bucht um Policoro in Süditalien (BERLIN CHAMISSOPLATZ). Sie sieht all diese Orte, einschließlch Niendorf, unter einer einer erotischen Perspektive: alles Vaginen.. Ich habe sie nicht danach ausgewählt. Aber vielleicht hat sie Recht.
Ich bin durch meine eintägige Berlin-Reise total aus meiner Autobiographie-Welt rausgekommen und habe das Arsenalbuch vom November 1983 rausgeholt und sehe gleich in der Einleitung von Ulrich Gregor dieses Foto:

Mein Gott, ein Zwei-Tage-Bart und Zigarette im Mundwinkel. So wollte ich damals gesehen werden. Nach dem Drehen von "SYSTEM OHNE SCHATTEN".
03.12.14   Auch heute ist an Fahrradfahren nicht zu denken. Die Straßen sind glatt, und ich habe keine Lust, mit dem Rad auszurutschen und mir das Genick zu brechen. Mein Alltagsleben ist schon gefährlich genug.
Dafür komme ich bei den Autobiographie-Notizen weiter. Ich habe tatsächlich alle meine 10 Adressen, die ich in München hatte, zusammengekriegt. Oft nur mit Hilfe von Google Maps. Im übrigen bin ich jetzt bis in den Dezember 1962 vorgestoßen. Kurz davor wurde mein erster Sohn Harald geboren, und kurz danach habe ich das Große Latinum am Münchner Max-Gymnasium bestanden. In der Rückerinnerung wird mir klar, dass ich das Studieren genossen habe und ein sehr ernsthafter Student war.

Das Foto ist aus einer Fotokopie meines Studienbuchs, ausgestellt am 25. April 1960. Das Original liegt seit vielen Jahren beim Deutschen Filmmuseum in Frankfurt.
04.12.14   Endlich kann ich wieder Fahrradfahren nach einer viertägigen Pause. Auch der Himmel ist nicht mehr so ganz grau und auch der Wind hat etwas nachgelassen.



Natur-Kunst auf dem Fahrradweg. Unter jedem größeren Baum sind diese weißen Hinterlassenschaften größerer Vögel zu sehen. Sie werden diese Bäume vermutlich auch im Sommer als Toilette benutzen, aber wegen der Blätter fällt nichts auf den Boden.

Mein erstes Auto, ein Victoria Spatz - gestorben im September 1962. Mit ihm war ich 1960 an der italienischen Riviera, 1962 in Paris und bin im April 62 damit von Bonn nach Berlin umgezogen.
05.12.14  
Bei der Erforschung meiner Vergangenheit, entdecke ich dieses Foto aus Rom. Da wurde mir Hannelore Elsner vorgestellt, und sie hat mich beim Abendessen gefragt, warum ich sie noch nie gefragt habe, mit mir einen Film zu drehen. Daraus wurden dann fünf Filme.
Bei den Autobiographie-Notizen bleibe ich in den Jahren 1964 und 1965 stecken. Ich weiß zwar genau, was alles beim Drehen meines Kurzfilms "DIE VERSÖHNUNG" passiert ist, aber bei den Frauen, mit denen ich zusammen war und bei den Autos, die ich gefahren habe, stockt die Erinnerung. Immerhin habe ich eine vorläufige Aufstellung aller meiner Autos zusammengebracht (darunter ein Porsche und ein Cadillac, einen Aston Martin wollte ich nach "DETEKTIVE" kaufen, bin aber davon in letzter Minute zurückgeschreckt).
Das ist vielleicht mein Leben: Frauen, Autos und Filme. Naja, ganz so einfach ist es doch nicht. Ich habe auch viele Bücher gelesen und vermutlich an die 30.000 Filme gesehen ( und für etwa 6.000 Filme auch Filmkritiken geschrieben). Während des Abiturjahrs und während der ersten beiden Semester meines Studiums in München - auf der Suche nach dem Sinn des Lebens - war ich total von der Existenzphilosophie (Camus, Sartre, Heidegger) beeinflusst. Erst als ich zum erstenmal mit 22 Jahren geheiratet habe, habe ich mich mit anderen Sachen beschäftigt. Vor allem mit Film. Ab da habe ich manchmal bis zu sechs Filme täglich gesehen, denn ich kam als Filmkritiker der "Süddeutschen Zeitung" umsonst in alle ca. 130 Münchner Kinos.
Auch damals schon hatte ich eine Neigung zur Totalität. Ich wollte alle Filme gesehen haben, die die Kritiker der "Cahiers du Cinéma" liebten. Ich hatte auch sämtliche Filmzeitschriften in Deutsch, Französisch und Englisch für bestimmt zwei oder drei Jahre bei einer Münchner Filmbuchhandlung abonniert.
Im Moment kann ich mir nicht vorstellen jemals diese Autobiographie, so wie sie sich vor mir abzeichnet, zuende zu bringen. Wenn ich ein Goethe des 21. Jahrhunderts wäre, ginge das vielleicht. Aber wie meine Blogleser wissen, bin ich das nicht. Vielleicht gelingt mir wie bei "BESCHREIBUNG EINER INSEL" eine Darstellung des Scheiterns.
06.12.14  

Am Nikolaustag habe ich keine Schuhe vor die Türe gestellt, sondern bin wieder mal, weil es absolut windstill war, zum Körbaer See gefahren.

Der See ist noch leerer als bei meinem letzten Besuch.

Auf der Suche nach Daten aus meiner Vergangenheit finde ich einen schon halb vergammelten Leitzordner im Keller mit winzigen Tieren, die darauf herumflitzen, voller Zahlungsbefehle und Gerichtsvollzieher-Ankündigungen. Ich gucke ihn ziemlich schnell durch, bin aber erschüttert. Wie konnte ich da jemals rauskommen? Ich weiß, ohne Hans Brockmann, der mein Freund und Koproduzent von "BERLIN CHAMISSOPLATZ", "SYSTEM OHNE SCHATTEN" und "TAROT" war (also alle meine teuren Filme) hätte ich das nie geschafft. Er hat ab 1980 mit allen großen Gläubigern Vereinbarungen getroffen, damit sie mich mit ihren Gerichtsvollziehern nicht mehr beim Filmemachen behindern. Die kleineren Gläubiger hatten Pech, denn nach 30 Jahren sind alle Schulden verjährt. Sogar meine Förderung zum Studieren nach dem Honnefer Modell habe ich im März 1989 vollständig zurückgezahlt. Nach vielen Mahnungen und Teilzahlungen. Irgendwie war mein Leben am Anfang eine totale Katastrophe, die mit meiner 2. Heirat und dem Film "SUPERGIRL" 1970 begonnen hat. Jetzt bezahle ich alle Rechnungen, die ich kriege, sofort.
Bei meinen Autobiographie-Notizen bin ich inzwischen durch das Jahr 1964 durch. 1965 wird noch komplizierter, denn da habe ich mich von meiner ersten Frau getrennt, war mit "DIE VERSÖHNUNG" in Oberhausen und mit Straub haben wir ein zweites Oberhausener Manifest per Flugblatt gemacht.
Bis zu "STELLA", meinem zweiten Kurzfilm, war es da noch ein weiter Weg.

07.12.14  


Ich stelle fest, ich bin radfahrsüchtig. Das ist nur eine von vielen Süchten.
Am Nachmittag antwortet Max Zihlmann auf eine email von mir. Es geht um Details in der Zeit der "Neuen Münchner Gruppe". Er weiß Dinge, die ich nicht weiß oder vergessen habe. Jetzt wird das Autobiographieschreiben noch aufregender für mich, denn mit Max Zihlmann habe ich bis zu "TAROT" über viele Jahre zusammengearbeitet. Wir haben gemeinsam unsere ersten drei Kurzfilme gedreht, weil wir alle drei Filme machen wollten. Wir waren über zwei Jahre zu dritt im Kino und haben die neuen Filme von Godard erlebt. Das Jahr 1964 wird für mich teilweise klarer, aber auch da beim Drehen von "DIE VERSÖHNUNG" ergeben sich zwischen seiner und meiner Erinnerung Fragen. Es geht da um die Rollen von Eckhart Schmidt und Klaus Lemke. Es wäre natütlich cool, wenn ich auch Klaus Lemke fragen könnte, wie er diese Zeit sieht, vielleicht mache ich das, aber ich habe keine Telefonnummer oder email-Adresse von ihm.

Ich fahre zwar jeden Tag die gleiche Strecke, aber langweilig wird mir nie, denn das Licht und das Wetter sind jedesmal anders.
Ein Blogleser mailt mir Adresse und Telefonnummer von Klaus Lemke. Es ist noch immer dieselbe, die in meinem uralten Telefonbuch steht. Da habe ich ihn Anfang der neunziger Jahre mal angerufen. Auf der Suche nach einer Schauspielerin für ein Drehbuch von Jochen Brunow "The African Princess". Ich denke nicht, dass ich ihn anrufe.
Ich google Klaus Lemke, um herauszukriegen, wieviel und welche Kurzfilme er vor "48 Stunden bis Acapulco" gemacht hat. Was er in diesem Text in der FAZ (LINK) im Juli gesagt hat, ist ziemlich ungewöhnlich, aber total lesenswert. Ob er jemand hat, der ihm diese Texte schreibt. Könige und andere hochgestellten Persönlichkeiten haben ja auch erfahrene Autoren, die ihnen die Texte schreiben. Als König hat er sich schon in seinem ersten Film gesehen. Da läuft ein Mann mit einer Krone auf dem Kopf durch die Stadt und niemand bermerkt die Krone. Nur Max Zihlmann und ich haben diesen Film gesehen. Vielleicht existiert die Kopie noch irgendwo. Eine großeAufgabe für Klaus Lemke-Forscher.

Ich bin jetzt wieder zuhause in Berlin und bemerke, wie sich die Straße vor meinem Haus verändert hat. Morgen besucht mich Simone Weigelt, meine langjährige Standfotografin und reinigt den Sensor meiner Fuji S3 Pro.
Gerade bekomme ich eine SMS von Susanna Cardelli, die mit mir bei vielen Filmen zusammengearbeitet hat. Sie schreibt, dass in der Süddeutschen Zeitung ein toller Artikel über die Retrospektive meiner Filme auf alleskino.de erschienen ist. Online kriegt man ihn nicht. Sie will ihn mir schicken. Aber ich bin einfach zu neugierig und renne in den türkischen Laden um die Ecke, der auch Zeitungen verkauft. Sie haben Gott sei Dank noch Exemplare der SZ und da steht auf Seite 2 des Feuilletons ein langer Text von unten bis oben mit dem Titel: "Küssen kann man nicht alleine. Eine Online-Werksschau des Kultfilmers Rudolf Thome".
09.12.14  

Simone Weigelt hat den Sensor meiner Fuji gereinigt. Auch für sie war das nicht ganz einfach und hat erst nach einigen Versuchen geklappt. Aber es war schön, sie wieder zu sehen. Sie kam mit einem großen schwarzen Hund, der jedesmal gebellt hat, wenn irgendjemand sich draußen dem Hauseingang näherte. Wenn ich einen solchen Hund auf dem Bauernhof hätte, würden sämtliche Marder von da verschwinden. Mit meiner im letzten Jahr gestorbenen Mieterin wäre ein Hund nicht möglich gewesen, denn sie hatte totale Angst vor Hunden.
Als ich klein war, hatte meine Mutter einen Hund. Einen Dackel, der wenn sie kam vor Freude alles vollgepinkelt hat. Als ich größer war und auch schon zum zweiten Mal verheiratet, hatten wir zwei Berner Sennenhunde: Amor und Amanda. Wir hatten sie von einem Züchter in der Schweiz als Hundebabies mit diesen Namen, gekauft. Als sie groß waren haben beide unendlich gelitten, wenn meine Frau und ich uns gestritten haben. Wir sind in 4 Jahren fünfmal umgezogen. Es war die schwierigste Zeit meines Lebens, und am Ende hatte ich zweihundertausend Mark Schulden. Mit den Schulden und all den Zahlungsbefehlen bin ich schließlich nach Berlin umgezogen. Immerhin habe ich in dieser Zeit drei Filme gemacht: "SUPERGIRL", "FREMDE STADT" und "MADE IN GERMANY UND USA". Der letzte Film wird vielleicht noch vor Weihnachten auf alleskino.de in einer restaurierten Fassung ins Netz gestellt. "FREMDE STADT" muss leider noch länger warten.
Livia Theuer aus Kassel mailt mir gerade, dass auch jetzt bei alleskino.de "MADE IN GERMANY UND USA" (LINK) jetzt online ist. Also 25 von insgesamt 28 Kinofilmen. Jetzt fehlen nur noch "FREMDE STADT", TAGEBUCH" und "DETEKTIVE" und etwas später auch die sechs Kurzfilme.
Als ehemaliger Briefmarkensammler weiß ich, wie es sich beim Sammeln anfühlt, wenn nur noch 2 oder 3 Briefmarken in einer Sammlung fehlen. Obwohl es rechtliche Hindernisse gibt, denke ich bis Ende 2015 mit diesen tollen Leuten alle Filme online zu kriegen.
Mein Sohn Nicolai telefoniert mit mir am Abend eineinhalb Stunden. Er lebt in Marburg, ganz in der Nähe von Wallau,, wo ich geboren bin und schickt mir dann dieses Foto von der Gegend, wo er arbeitet.
10.12.14  

Als ich aus dem Haus gehe, empfängt mich ein wütender Sturm. Auch in Berlin gibt es ein schönes Morgenrot.

Im Hauptbahnhof ist es zugig und bitterkalt. Ich flüchte in den Serviceraum der Bahn.

Mein ICE bleibt leider eine Viertelstunde vor der Ankunftszeit in Kassel stehen. Und das bleibt er auch. Eine Stunde lang. Livia Theuer, die mich abholt, muss auch so lange warten. Danach sind wir beide hungrig. Sie führt mich zu einem Haus, in dem Murnau vier Jahre von 1898 bis 1902 gelebt hat. Jetzt ist im Untergeschoß ein Eßlokal.

Diese Figur habe ihn später bei seinen Filmen beeinflusst, erzählt mir Livia Theuer.

11.12.14  
Hier fand gestern Abend die Weltpremiere der digitalen "ROTEN SONNE" statt. Auch ein Fehler im Filmnegativ ist verschwunden. Ich muss nach dem Sehen immer wieder mal an "Unsterblichkeit" denken und habe dabei durchaus auch gemischte Gefühle.
Immerhin die rote Bank und der blaue Schriftzug des Kinos gefallen mir auf Anhieb.

Mein Publikum. Vor allem Studenten der Filmabteilung in der Kunsthochschule. Ihr Professor, Jan Peters, streckt frech seinen Kopf in die Kamera.

Nach dem Film beim Italiener gegenüber dem Kino gemeinsames Abendessen und endlich für mich 3 oder 4 Gläser Rotwein. Neben mir sitzt Jan Peters. Es war ein schöner Abend in Kassel.

Neben meinem Hotel steht dieses säulenbestückte Gebäude. Die mit römischen Zahlen angegebene Bauzeit konnte ich nicht mehr "übesetzen". Mit Hilfe von Google habe ich es herausgekriegt. Es wurde von von 1902 - 1904 erbaut. Nicht wie ich annahm in der Nazi-Zeit.
Am Morgen bringt mir Livia Theuer die Festplatte mit "ROTE SONNE" ins Hotel und mich hinterher zum Bahnhof.

Naja, mit 10 Minuten Verspätung kann ich leben.

Jetzt sitze ich im Zug und würde gerne über mein iPhone online gehen. Leider habe ich vergessen, wie das geht und überhaupt komme ich mit dem iPhone selbst zur Zeit überhaupt nicht mehr ins normale Netz.
Eine halbe Stunde vor der Ankunft in Berlin zeigen mir zwei Frauen, wie ich mit dem iPhone ins Netz komme und ein Bahnbeamter zeigt mir, dass auch der Zug W-Lan hat.

Wenn ich das gewusst hätte, wäre mir auch bei der Hinfahrt, die einstündige Ruhepause des Zugs nicht so lang vorgekommen.

Jetzt bin ich nach einer sehr kurzen Zwischenstation in Berlin "wieder daheim". Das sagt meine ägyptische Freundin jedes Mal, wenn sie hier ankommt.
12.12.14  

Beim Fahrradfahren fällt mir ein, dass ein älterer Herr im Publikum saß und gesagt hat, dass er "ROTE SONNE" bei seiner Uraufführung im Esplanade in Frankfurt gesehen hat (das war am 1. September 1970). Und ich finde heute diese Biographie von Werner Herzog, die mir der Autor geschickt hat, weil er auch mich interviewt hat.

Dieses Buch löst für mich so manches Problem, das bei mir zu den Jahren 1964/65 aufgetaucht ist und das macht mich richtig glücklich heute.
Werner Herzog erzählt darin, dass ich spät in der Nacht, als er schon "friedlich im Bett" gelegen hat, vor seiner Tür gestanden habe und ihm im Auftrag der Jury die Nachricht vom Carl-Mayer-Preis für das beste deutschsprachige Drehbuch überbracht habe und dass der Preis 10.000 DM war. Erstens waren es nur 5.000 DM und mit hundertprozentiger Sicherheit bin ich damals nicht vor seiner Tür gestanden, denn die Juyentscheidung war alles andere als einfach. Bei der Abstimmung hatte nämlich zuerst Jean-Marie Straub für "Nicht versöhnt" den Preis gewonnen. Ich gebe zu, dass ich dabei etwas nachgeholfen habe. Ich hatte dafür gesorgt, dass alle Jurymitglieder das Buch von Straub bekommen hatten. Von den anderen Drehbüchern hatten wir nur fünf oder sechs Exemplare, die dann weitergereicht werden mussten. Was natürlich nicht immer funktioniert hat. Hans-Dieter Roos, Kritiker der Süddeutschen Zeitung hat das herausgefunden und mit einem Antrag zur Geschäftsordnung die erste Entscheidung für ungültig erklärt. Naja und dann bekam ein Herr Stipetiç (unter diesem Namen hatte er das Drehbuch eingereicht) für "Lebenszeichen" den Preis. Niemals im Leben wäre ich nach meiner Niederlage in der Jury in der Nacht zu ihm gefahren. Ich schwör's.

Dieses Foto am Eingang zum Murnauhaus mailt mir Livia Theuer.

Murnau hat hier von 1898 bis 1902 gelebt. Im November 1964 habe ich auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig zum erstenmal Murnaus Film "Tabu" gesehen und der Film war über viele Jahre mein absoluter Lieblingsfilm. In "DIE SONNENGÖTTIN" schauen sich die beiden Hauptdarsteller eine Szene, Reri's Tanz, in einem Kino an und besuchen danach gemeinsam Murnaus Grab auf dem Friedhof in Stahnsdorf.

13.12.14   Ich bringe fast den ganzen Morgen damit zu, meinen Schreibtisch aufzuräumen und meinen großen Schnitt-Computer, den ich von Berlin mitgebracht habe, hier aufzubauen. Das ist immerhin ein MacPro mit einem 12-Kern Xeon Prozessor. Ich bin wild entschlossen, auch in meinem digitalen Leben Ordnung zu schaffen.

Danach fahre ich Fahrrad und kaufe diesen Weihnachtsbaum.

Bei denAutobiographie-Notizen bin ich durch die detaillierten Erinnerungen von Max Zihlmann schwer ins Schleudern geraten. Sein Gedächtnis funktioniert sehr viel besser als meins, obwohl er 2 Jahre älter ist als ich. Ich bewundere ihn dafür hemmungslos. Gestern hat er mir beschrieben, wie es war, als wir zu siebt im Aufzug zu Straubs Wohnung über dem City-Kino stecken geblieben sind. Im Aufzug waren Straub, Daniele Huillet, Michel Delahaye (Kritiker der Cahiers du Cinéma), Eckhart Schmidt (er geriet in Panik), Klaus Lemke, Max Zihlmann und ich. Fast der halbe junge deutsche Film hätte da auf einen Schlag sterben können. Wir mussten gut eine dreiviertel Stunde warten, bis der Hausmeister uns aus unserem Liftgefängnis befreit hat. Der Aufzug war nur für 4 Personen zugelassen. Das Ganze passierte nach einer Privat-Vorführung von Roland Klicks erstem Kurzfilm "Weihnachten". Wir hatten zu diesem Zeitpunkt "DIE VERSÖHNUNG" gedreht und geschnitten, sogar mit weißen Handschuhen, den Negativschnitt, aber hatten noch keinen Ton. So haben wir den Film einen oder zwei Tage später Delahaye und Straub mit einem gemieteten 16mm-Projektor vorgeführt. Anders als in meinem "Überleben in den Niederlagen"-Text hat also nicht Straub, sondern Delahaye den Satz "C'est un film très, très bon" gesagt. Das hat Delahaye im Februarheft der Cahiers du Cinema (LINK) dann geschrieben. Wir waren sehr stolz, denn die "Cahiers" waren unsere Bibel. Nach weiteren Kurzfilmen bekamen wir dazu auch noch einen "lieben Gott": Jean-Marie Straub. Viele, viele Jahre später hat mir Hans Hurch, Leiter der Viennale, erzählt, dass auch er mit seinen Wiener Freunden von Straub als "lieben Gott" gesprochen hat.
14.12.14  
Ich finde nach dem Fahrradfahren wieder voll zurück in meine Autobiographie-Notizen. In 1965 hatten wir unter uns eine Firma gegründet. Am Anfang sollte sie TOLEM-Film heißen. (TO für Thome, LE (für Lemke und das M am Ende für Max). Das gefiel Max Zihlmann natürlich nicht, und wir haben uns auf ALEXANDRA-Film geeinigt, weil Max Zihlmann Alexandra Stewart liebte. Ich hätte am liebsten gleich eine Aktiengesellschaft gegründet, hatte auch ein Buch über Gesellschaftsformen und ihre Vor- und Nachteile gekauft. Unsere Vereinbarung bestand darin, dass wir uns alle gegenseitig dabei helfen einen ersten Kurzfilm zu drehen. Max Zihlmann hat für sein "Frühstück in Rom" Geld von seinen Eltern bekommen. Klaus Lemke hatte irgendwie nie Geld. Nur ab und zu mal ein paar Pfennige für einen Tschibokaffee. Also habe ich gemäß unserer Vereinbarung Franz Seitz dazu gebracht, Lemkes "Kleine Front" zu finanzieren. Lemke hat im selben Jahr 2 weitere Filme gedreht mit anderen Produzenten und in 1966 noch mal drei Kurzfilme. Er war ein absoluter Shooting-Star. Ich hatte große Mühe 1966 meinen zweiten Kurzfilm auf die Beine zu stellen. Franz Seitz hat ihn finanziert unter der Bedingung, dass ich vorher "Kleine Front" verkaufe. Das ist mir bei Hans Eckelkamps Atlas-Film gelungen. Also konnte ich "Stella" im Mai 1966 drehen. Im Oktober 1966 lief "STELLA" in Mannheim und von Lemke liefen gleich zwei neue Filme "Duell" und "Henker Tom" (der Titel bezieht sich auf meinen riskanten Fahrstil bei Fahrten zu Dreharbeiten). Für "Henker Tom" bekam Lemke einen Mannheimer Golddukaten. Klar war ich neidisch.
Zwei oder drei Jahre später musste ich das totale Chaos, das Lemke mit Iris Berben in einer Wohnung, die ich für sie in "DETEKTIVE" gemietet hatte, und wo wir auch einige Szenen mit Iris Berben gedreht hatten, aufräumen, denn die Wohnungseigentümerin wollte sie zurück haben. Unter all dem Müll fand ich jede Menge ausländischer Münzen, aber auch den Golddukaten aus Mannheim. Ich denke, ich habe ihn im Leihhaus versetzt. Ich war damals ein regelmäßiger Leihhauskunde.
15.12.14  
Heute morgen scheint mal wieder die Sonne. Unrasiert und ungeduscht mache ich mich fertig zum Fahrradfahren und verliebe mich auf`s Neue in die Landschaft hier.



Bei den Autobiographie-Notizen bin ich inzwischen mit allen Detaileinnerungen ins Jahr 1966 und ein bisschen auch ins Jahr 1967 vorgedrungen. Ich merke immer mehr, dass mich dieses Projekt, wie auch immer es ausgehen wird, noch auf viele Jahre beschäftigt, denn mein Ziel ist, wie bei einem Gerichtsprozess, die Wahrheit herauszufinden. Noch leben viele Freunde und Freundinnen aus dieser Zeit, und ich kann sie fragen. Wenn einer stirbt, sitze ich vor verschlossenen Türen. Klar, könnte auch ich sterben, bevor alles fertig ist, aber dann macht das auch nichts mehr aus, dann könnte ich aus dem Himmel zuschauen wie die Nachwelt sich viele Fragen, die ich nicht mehr klären konnte, vielleicht neu stellen muss. Denn was ich beschreibe, sind ja vor allem tausende Geschichten aus meinem Leben. Ich denke, dass ich mit meinen Filmen, die auch immer mit meinem Leben verbunden waren, Spuren in der deutschen Fimgeschichte hinterlassen habe, denen nachzuforschen für manche wichtig sein wird.
16.12.14  


Beim Fahrradfahren unter grauem Himmel und in der abgestorbenen Natur frage ich mich, wie oft ich noch das Wunder eines Frühlings erleben werde.
Bei den Autobiographie-Notizen bekomme ich heute einen ziemlich kompletten Überblick über das Jahr 1967. Es war vermutlich das wichtigste Jahr in meinem Leben, bevor ich 1973 hochverschuldet nach Berlin gezogen bin. In dem Jahr habe ich zwei Kurzfilme, "GALAXIS" und "JANE ERSCHIESST JOHN, WEIL ER SIE MIT ANN BETRÜGT" gedreht. Klaus Lemke, mein Freund und Konkurrent hat allerdings in diesem einen Jahr zwei Spielfilme gedreht. Weil er mich als Produktionsleiter für "48 Stunden bis Acapulco" unbedingt haben wollte, habe ich meinen Job als festangesteller Kreditsachbearbeiter einer Bausparkasse gekündigt - der Vorstand hat mich nur sehr ungern gehen lassen. Hätte er das nicht getan, wäre ich vielleicht ein Bankdirektor geworden und bekäme jetzt eine Rente von zwei oder dreitausend Euro im Monat. Ich bin Klaus Lemke dankbar, dass es nicht so gekommen ist.
Ich war damals frei von den Fesseln der Ehe und für alle Frauen wieder zu haben (wovon die Frauen und auch ich reichlich Gebrauch gemacht haben). Und Acapulco war ja fast schon wie seit "Tabu" der Traum von einer Südseeinsel. Drei Tage vor Drehbeginn hat mich Klaus Lemke gefeuert. Nix Acapulco, dafür noch mehr Freiheit. Habe mit Max Zihlmann die Wohnung getauscht und bin in sein dunkles winziges Untermietzimmer gezogen.
Dann haben wir zusammen das Drehbuch zu "SUPERGIRL" geschrieben. Danach habe ich mit der Tochter von Elfie Pertramer, die sehr gut französisch konnte, für die "Filmkritik" ein Filmprotokoll der Originalfassung von Truffauts "Tirez sur le Pianiste" an einem Schneidetisch im Keller des DIF gemacht (ist als Buch veröffentlicht). Für die "Süddeutsche Zeitung" schrieb ich am 6. 7. 1966 eine enthusiastische Kritik über Georg Marischkas Karl-May-Film: "Das Vermächtnis des Inka ist der beste bisher gedrehte Karl-May-Film und zweifellos eine der gelungensten kommerziellen deutschen Nachkriegsproduktionen." Marischka wollte mich danach sofort kennenlernen und hat mich etwas später als Regieassistent für einen TV-Film mit Dreharbeiten in der Gegend um Heidelberg engagiert. Da habe ich jedenfalls gelernt, wie kommerzielle Produktionen mit ihren Mitarbeitern umgehen. Ich war mit der Hauptdarstellerin am Drehort eine halbe Stunde zu spät und wurde danach von der Produktionsfirma sofort gnadenlos entlassen. Vorher hatte ich an einem freien Tag fast tausend Mark in der Spielbank von Wiesbaden verdient.
Dann kam Elfie Pertramer und engagierte mich als Regieassistent für eine Folge von "Fensterl zum Hof". Da wurde ich nicht gefeuert und weil ich mich in ihre Tochter verliebt hatte, habe ich ganz alleine, ohne Max Zihlmann, das Drehbuch zu "JANE ERSCHIESST JOHN…" geschrieben. Den Film habe ich dann im Dezember, ohne Geld und ohne einen Produzenten zu haben, gedreht.
Ich erzähle hier natürlich nicht alles. Das meiste davon steht in meinem "Überleben in den Niederlagen"-Text für die Zeitschrift "Filme". Aber nicht alles. In der Autobiographie wird noch wesentlich mehr darüber zu lesen sein. Im Moment möchte ich nur meine Blog-Leser ein bisschen auf dem Laufenden halten. Wer sicht nicht dafür interessiert, kann mir eine email schicken, dann höre ich sofort damit auf.
Während ich das geschrieben habe, sah dieAußenwelt wieder etwas schöner aus als heute Morgen.

Im September 2004 in Pyöngyang in Nordkorea (LINK) sagte mir ein chinesischer Künstler bei einem Abendessen für Hannelore Elsner (da lief "FRAU FÄHRT; MANN SCHLÄFT"), ich sei ein Glückomann. Das sehe ich heute im Rückblick auch so. Eva Pampuch, die Freundin von Max Zihlmann sagte damals immer zu mir, ich sei ein "born loser". Komisch, dass solche Sätze in meinem Kopf wie festgebrannt sind.

17.12.14  

Rauhreif auf der Dorfwiese und ein bisschen Eis auf dem Dorfteich. Die Sonne ist gerade aufgegangen. Mit dem Fahrradfahren muss ich warten, bis der Radweg von der Sonne aufgetaut ist.

Da ich gestern Nacht in der Wiederholung den Maischberger-Talk zu Alzheimer (einer der Gäste Till Schwaiger mit seinem neuen Film "Honig im Kopf") gesehen habe, fahre ich heute mit doppelter Motivation Fahrrad. Wegen meiner Knie und als Kampf gegen Alzheimer, denn ein Wissenschaftler bei Maischberger hat gesagt, dass sportliche Betätigung auch hilft. Natürlich wäre auch der Verzicht auf meine tägliche Flasche Rotwein und ein Verzicht aufs Rauchen gut. Aus medizinischer Sicht. Aber mein homöopathischer Arzt, dem ich in dieser Hinsicht mehr vertraue, sagt mir, wenn es dir gut tut, spricht nichts dagegen. Da er vorher Chefarzt für Innere Medizin im Neuköllner Krankenhaus war, versteht er etwas von Organen im menschlichen Körper. Immerhin tastet er alle paar Jahre meine Leber ab.
Als ich mit 16 Jahren mit einer allgemeinen Sepsis drei Monate im Krankenhaus lag, lag neben mir ein blau angelaufener Patient mit einer Säufer-Leber. Ich war selbst schon halbtot und durfte miterleben, wie er starb. Ich habe damas von Thomas Mann "Der Zauberberg" gelesen.
Für heute mache ich bei den Autobiographie-Notizen eine Pause. Morgen starte ich in das Jahr 1968, denn da lief "JANE ERSCHIESST JOHN, WEIL ER SIE MIT ANN BETRÜGT" in Oberhausen. Da bin ich mit meinem Ford 17 M mit Marquard Bohm und Enno Patalas als Beifahrer hingefahren. Während der Fahrt hat mir Enno Patalas von Petra Nettelbeck erzählt, deren Vater Chef von VW do Brazil war und mit ihrem Erbe hat sie den Film von Hellmuth Costard "Besonders Wertvoll" finanziert. Da spricht ein erigierter Penis in Nahaufnahme einen Text zum damals neuen Filmförderungsgesetz (LINK).

18.12.14   Zu Hellmuth Costards Film "Besonders Wertvoll" habe ich noch einen Text im "Spiegel" (LINK) gefunden, der den Skandal, den der Film auslöste, genauer beschreibt.
Und einen Text, der erzählt, dass er 30 Jahre später (LINK) doch noch in Oberhausen gezeigt werden konnte.

Beim Radfahren heute morgen bin ich an einem noch dampfenden Misthaufen vorbeigekommen.
Am Nachmittag fange ich an, mich an meinen ersten Spielfilm "DETEKTIVE" anzunähern. Drehbeginn war der 7. Juni 1968. Wir haben fast zwei Monate gedreht. Drehtage haben wir damals nicht gezählt. Im Mai hat Max Zihlmann angefangen, das Drehbuch zu schreiben und ich habe währenddessen wieder mal meine Wohnung gewechselt und bin in die Klopstockstraße in ein modernes Apartmenthaus gezogen, mit Müllschlucker und Tiefgarage. Zwei Stockwerke über mir wohnte Uschi Obermaier. Direkt über mir veranstaltete jede Nacht ein Paar außerordentlich laute Sexgeräusche. Was mich nicht gestört hat, denn auch ich war in der Hinsicht sehr aktiv. Es war eine total aufregende Zeit.
Während ich das schreibe, kommt eine email von visualfilm (das ist Niklaus Schilling und Elke Haltaufderheide). Sie kündigen ein neues Filmbuch über Niklaus Schilling und seine Filme an, das jetzt im Buchhandel erhältlich ist. Ich werde es bestimmt einmal kaufen.

Die jeweils neuesten Standfotos von Wolf Huber waren während des Drehs immer eine große Attraktion. Im Bild von links nach rechts: Hans Brockmann (mit Brille), Hubs Hagen, dazwischen im Hintergrund Wolfgang Limmer, der jetzt wie mir Max Zihlmann gemailt hat, querschnittgelähmt ist), dann Martin Müller, ich mit Lederjacke und Sonnenbrille und neben mir Iris Berben.

Uschi Obermaier, Niklaus Schilling und ich. Wieder mit Lederjacke und Sonnenbrille. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich die richtige Lederjacke zusammen mit Klaus Lemke gekauft habe. Lemke hatte schon immer ein Gefühl für Stil. Es könnte sein, dass er mir auch empfohlen hat, schwarze Unterhosen der Marke Eminence zu tragen. Die trage ich noch heute. Über 45 Jahre später. Ich denke Serpil Turhan hat mich auf meinem Bauernhof beim Wäscheaufhangen gefilmt und ich habe ihr das dabei erzählt. Sonnenbrillen haben Lemke und ich damals beide getragen. Vermutlich, weil Godard auch eine getragen hat.
Hier der offizielle Trailer des Verleihs von "DETEKTIVE auf YouTube: des
19.12.14   Extreme Windböen draußen und viel Nachdenken über das Jahr 1968 halten mich zuächst davon ab, auf's Rad zu steigen. Doch dann tue ich es doch und fühle mich danach sehr viel besser. Das ist wichtig, den heute kommt meine ägyptische Freundin.

An den Gräsern kann man sehen, wie stark der Wind weht.

Auf dem Bauernhof bin ich inzwischen seit April 2012 insgesamt fast 5.000 km mit 2 verschiedenen Rädern Fahrrad gefahren. Davon allein in diesem Jahr 2.754 Kilometer. Ich kann es kaum glauben, aber meine Buchaltung (Excel-Tabelle) ist unbestechlich.

Der Flieger aus Kairo ist mit 20 Minuten Verspätung in Kairo gestartet und ist jetzt über Bulgarien.

Jetzt ist meine ägyptische Freundin da und auf ihrem Lieblingspatz. Die Fahrt zum Flughafen in Schönefeld war rauh. Viel Regen, Windböen und viel Verkehr.
20.12.14  
Die Marheineckehalle. Meine ägyptische Freundin wollte unbedingt Gänsebraten essen. Das haben wir getan. Darauf hat sie sich schon vor 2 Wochen in Kairo gefreut.

Ich habe mir heute morgen erlaubt, den 4. Advent um einen Tag vorzuverlegen. Meine ägyptische Freundin hat gestrahlt wie ein Kind, wenn es den Weihnachtsbaum und die großverpackten Geschenke darunter sieht.
Mit den Autobiographie-Notizen bin ich etwas ins Stocken gekommen, obwohl meine Berliner Wohnung voller Aktenordner ist, in denen ich Dinge finde, die ich inzwischen vergessen hatte.
Was meine Filme damals von allen anderen unterscheidet, ist ein technisches Detail. "JANE ERSCHIESST JOHN…", "DETEKTIVE" und später noch "FREMDE STADT" sind CinemaScope-Filme. Dahinter steckt mein Traum vom richtigen, großen Kino und auch eine Verachtung für das Fernsehen. Ein nicht ganz nebensächlicher Aspekt war: die Ultrascope-Objektive der Firma ARRI waren im Verleihangebot zwar doppelt so teuer wie normale Optiken, aber sie verstaubten, denn kein wirtschaftlich denkender Produzent setzte sie mehr ein. Die Zeit des großen Kinos in Deutschland war vorbei. Jetzt hatte die Herrschaft des Fernsehens begonnen.
Als "JANE ERSCHIESST JOHN…" fertig war, zeigte Straub seinen Bach-Film im Theatiner-Kino und wollte meinen Film davor zeigen. Meine Bedenken, mein Film sei doch eher der Pop-Kultur zuzurechnen, haben ihn nicht davon abgehalten. Das Kino war voll. Drei Verleihchefs saßen im Kino. Alle drei wollten den Film kaufen. Ich habe ihn an den größten Verleih, die Constantin, für sechstausend Mark (einschließlich 5% Mehrwertsteuer) verkauft. Und das auch noch zeitlich unbefristet. Bei der FBW bekam er Ende Januar, obwohl ich Gutachten von Urs Jenny, Herbert Linder und Peter Handke beigelegt hatte, nur das Prädikat "Wertvoll".

Erst durch den von Enno Patalas verfassten Widerspruch bekam ich Ende März und also kurz vor Oberhausen "Besonders Wertvoll" und damit ungefähr 30.000 Mark von der FFA auf Grund des Filmförderungsgesetzes. Allerdings erst ein Jahr später.

21.12.14   Da es nicht regnet, fahren meine ägyptische Freundin und ich Fahrrad. Wegen des böigen Winds jedoch in der Hasenheide. Beide Fahrräder haben zu wenig Luft. Das Klapprad hat eine eingebaute Luftpumpe im Fahrradsattel. Ich brauche ziemlich lange, um alle Luftpumpen-Teile wieder zusammenzusetzen.



Grafitto gegenüber der Markthalle.
Zu den Autobiographie-Notizen komme ich heute kaum. So dürr und trocken, wie ich das in meinem "Überleben in den Niederlagen"-Text beschrieben habe, waren die zwei Monate von Oberhausen bis zum Drehbeginn am 7. Juni jedenfalls nicht. Während Max Zihlmann das Drehbuch schrieb, war ich rund um die Uhr beschäftigt. Endlich hatte ich wieder eine Wohnung, die zwar relativ leer, aber auch, vor allem für Mädchen vorzeigbar war. Ich brauchte Schauspieler. Marquard Bohm war selbstverständlich einer der beiden Detektive, denn ich war begeistert von der verächtlichen Art, wie er in "JANE ERSCHIESST JOHN…" die hundert Markscheine für einen Pelzmantel in einer Boutique auf den Ladentisch geschmissen hat. Wer so mit großen Geldscheinen umgehen kann, wird bald ein Star, dachte ich vielleicht. Ulli Lommel war von Berlin nach München gekommen. Er wollte eigentlich bei Lemke spielen, was aber nicht geklappt hat. Er hatte einen roten Sportwagen (vielleicht ein Alfa Romeo) und das war mir schon sympathisch, deshalb habe ich zu ihm ja gesagt. Martin Müller sollte Regieassistent sein und empfahl mir Uschi Obermaier. Beim Casting im Klopstockstraßenbüro hat sie mir gefallen. Irm Hermann kam mit einem riesengroßen Hut und einer Kollegin auch dahin. Ich habe sie nicht genommen. Aber ich brauchte zwei Frauen. Ulli Lommel schwärmte von der schönsten Frau, die er je im Leben kennengelernt hat. Sie wohnte in New York. Er hat mich davon überzeugt, sie herzufliegen. Niklaus Schilling, der wieder die Kamera machen sollte, fand sie bei ihrem Auftritt im "Kleinen Bungalow" nicht so schön, wie Ulli Lommel das versprochen hatte. Er rief Uwe Nettelbeck um Hilfe. Als Ehemann von Petra Nettelbeck war er ja sozusagen Mitproduzent. Uwe Nettelbeck kam zwei oder drei Tage später nach München. Im Auto drei junge Mädchen, die er in der Nacht in Hamburg aufgegabelt hatte. Er sagte, such Dir eine aus. Das tat ich und entschied mich für Iris Berben, vor allem weil mir ihre Stimme gefiel. Dies nur zu Klaus Lemkes Erzählungen bis heute, dass er Iris Berben entdeckt habe. Das Mädchen aus New York musste ich wieder zurückschicken, obwohl ich ja eigentlich der Regisseur und Produzent des Films war. Ich schäme mich für so manche Dinge, die ich damals gemacht habe. Aber um mein Team zusammenzuhalten, musste ich Kompromisse machen. Der ruhige Pol in dieser wilden Zeit war Max Zihlmann, der Tag für Tag weiter das Drehbuch schrieb und sich freute, wenn ich über das täglich Geschrieben begeistert mit ihm gesprochen habe.
22.12.14  


Heute kam Peter Körte zu mir in die Fidicinstraße. Vor fast genau 20 Jahren war er hier bei mir und hat mit einem Kollegen ein Interview zur Wiederaufführung von "ROTE SONNE" für die Frankfurter Rundschau gemacht.

Heute ist er Redakteur bei der FAZ am Sonntag, und wir sprechen über die Thome-Retrospektive bei alleskino.de, über meine Karriere bei der Degeto und über meine geplante Autobiographie. Er ist der Meinung, dass ich mich schon jetzt um einen Verlag kümmern sollte, aber ich sage, ich bin noch lange nicht so weit. Ich muss erst einmal die zahllosen Mosaiksteine meines Lebens zusammensetzen können. Beim Zusammensetzen von Puzzels waren meine Kinder gut. Ich nicht, weil ich zu ungeduldig bin. Heute beim Zusammensetzen des Puzzels meines Lebens bin ich geduldig.

23.12.14   Auf der Autobahnfahrt zum Bauernhof passieren wir ein völlig ausgebranntes Auto. Auch heute wieder starke Windböen, die das Fahren zumindest in meinem Volvo sehr anstrengend machen.

Meine ägyptische Freundin kocht Gemüse. Ich brate ein Huhn. Es steckt schon im Ofen. Während wir essen, klingelt die Briefrägerin und bringt mir die Autobiographie von Peter Berling, der bei mir in "DETEKTIVE" zwar nur eine Nebenrolle gespielt hat, aber einige Kurzfilme produziert hat und mit Klaus Lemkes "Negresco" versucht hat, ein richtig großer Produzent in Deutschland und auch international zu werden. Ich werde es lesen und bin gespannt, wie er diese Zeit beschreibt.

24.12.14   Ich wünsche allen Moana-Blog-Lesern ein frohes Weihnachten 2014!

Meine ägyptische Freundin wollte eigentlich heute zum See fahren. Ich habe gesagt, dass selbst die kurze Strecke auf dem Radweg schwer genug wird, weil kontinuierlich ein starker Wind weht. An dieser Stelle wollte sie wieder zurückfahren. Auf dem Foto kämpft sie mit einer Windböe.

Picknick mit Kaffee und Keksen am Ziel.



Am Horizont ein kleiner Streifen, der zeigt, dass hinter den Wolken auch noch die Sonne ist. Zwei Krähen fliegen vorbei. Auch die haben Schwierigkeiten beim Fliegen im Sturm.

Zwei ägyptische Christbaumkugeln am Weihnachtsbaum.

Der fertig geschmückte Weihnachtsbaum mit den Geschenken.
25.12.14   Am 1. Weihnachtstag scheint am Morgen sogar die Sonne. Aber nur ein bisschen.

Meine ägyptische Freundin weiht ihr Weihnachtsgeschenk ein und telefoniert zum ersten Mal mit dem orangeroten Telefon, dass ich ihr geschenkt habe. Das macht mich glücklich.



Beim Radfahren gibt sie nach einem Kilometer auf. Es ist beißend kalt. Der Wind weht noch stärker als gestern. Ich halte eisern durch und fahre meine 12 Kilometer.
26.12.14  
Der erste Schnee in diesem Winter.

Meine ägyptische Freundin und ich fahren zum Körbaer See und machen dort bei 1 Grad minus ein Picknick mit Kaffee und Keksen.

Der See ist genauso leer wie vor 1 Monat.

Sie friert nicht, ich friere an den Fingerspitzen und an den Zehen.

Hier wollte sie ein Foto machen, aber der Auslöseknopf ihrer tollen Nikon Coolpix, der vorher lose war, ist runtergefallen und vermutlich im Schnee neben dem Radweg versunken. Ich habe mit bloßen Händen den Schnee durchsucht, aber nichts gefunden. Das Ding ist aus Plastik und unter dem Schnee war Laub. Meine Fingerspitzen danach waren noch kälter geworden. Ich habe an die Leute gedacht, die auf den Mount Everest steigen und denen Finger und Zehen abfrieren.

Gestern hat mir meine ägyptische Freundin die Haare geschnitten. Nach dem Schneiden sagte sie, es werden immer weniger. Ich sagte: Klar. Jeden Morgen habe ich Haare im Kamm. Irgendwann sind sie alle weg.
Immerhin habe ich noch mehr Haare auf dem Kopf als mein Bruder oder als Klaus Lemke. Ich frage mich, warum Männer beim Älterwerden Haare verlieren und Frauen fast nicht.
27.12.14  


Heute ist es noch kälter als gestern. Am Morgen Minus 8 Grad. Nach dem Einkaufen fahren meine ägyptische Freundin und ich trotzdem Fahrrad. Ich hatte 2 Paar Socken und 2 Paar Handschuhe. Der Hinweg war ok, der Rückweg mit Gegenwind glich einer Expedition zum Nordpol. Aber dabei passierten unglaubliche Begegnungen mit der Natur…

Vor mir sprangen fünf "Gazellen" über den Radweg. Ich schreibe "Gazellen", weil wir beide bei einer Motivsuche zu "DAS ROTE ZIMMER" im Wald vor uns auf der Straße zwei Rehe gesehen haben und meine ägyptische Freundin damals rief: Guck mal, zwei Gazellen!
Ein paar Minuten später kamen mehrere Krähen, flogen dicht über mir. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mir was sagen, und bremste und rief ihnen zu: Was wollt ihr?
Nochmal ein paar Minuten später kam eine Formation Wildgänse, fast im Tiefflug. Ich halte wieder an, kriege aber den Fotoapparat nicht schnell genug aus der Hosentasche, denn meine Finger sind klamm. Meine ägyptische Freundin ruft laut: Rudolf. Ich warte auf sie.

Sie strahlt, denn eine der Wildgänse hat ihr punktgenau auf das Hosenbein geschissen.

Ich mache dieses Foto und sage, das bringt Glück. Das findet sie auch.
Da es in den nächsten Tagen noch kälter werden soll und ich mich vom Fahrradfahren davon nicht abbringen lassen will, mache ich mich im Internet sachkundig für das Fahrradfahren bei winterlichen Temperaturen. Ich finde nach sehr langem Suchen Spezialhandschuhe und Neopren Überschuhe für die Radschuhe. Beides kommt per Amazon nächste Woche.
Übrigens: heute Nacht habe ich geträumt, dass ich in einem Filmteam von Peter Berling war. Irgendwo am Meer. Er kam zu uns mit einem Minijet. Er hat mich aufgefordert, auch mal damit zu fliegen. Ich bin eingestiegen und bin damit absolut intuitiv, denn er hatte mir nichts erklärt, geflogen.
Zur Erklärung: ich habe inzwischen die ersten zweihundert Seiten (von 650) seiner Autobiographie gelesen.

28.12.14   Heute bin ich alleine Fahrrad gefahren. Bei minus 8 Grad 8 Kilometer. Ich habe im Internet gelernt, wie man sich bei derartigen Temperaturen verhalten soll. Vor allem: niemals die Hände aus dem Handschuh nehmen. Das hat perfekt auf dieser kurzen Strecke funktioniert.
29.12.14   Heute Nacht hat es jetzt richtig geschneit.

Nach dem Einkaufen und Frühstücken muss ich erst einmal Wege durch den Schnee bahnen. Dann werden die Vögel gefüttert.

Das Radfahren bei dieser Schneehöhe ist sehr, sehr mühsam. Nur 4 Kilometer. Morgen versuche ich es mit dem Mountainbike. Ich schätze es sind etwa 10 cm Schnee gefallen.

Meine Schätzung war richtig.
Beim Lesen der Peter Berling-Autobiographie bin ich inzwischen auf Seite 402 und auch in meine Erinnerungen an diese Zeit angelangt. Manchmal passt alles zusammen, manchmal nicht.
Ich bemühe mich morgens beim Rasieren und dann beim Radfahren auf den Namen eines Regisseurs aus Frankfurt zu kommen, von dem ich einen Kurz-oder mittellangen Film gesehen habe, in dem gezeigt wird, wie ein Mann scheißt. Mich hat der Film damals abgestoßen. Vielleicht habe ich ihn im Kommunalen Kino in Frankfurt gesehen und den Regisseur da auch kennengelernt.Vielleicht hat er auch die "Rolle" im Film selbst gespielt. Später ist er in München aufgetaucht und hat alle Plakate von "Detektive", die ich im "Kleinen Bungalow" in der Türkenstraße aufgehängt hatte, abgerissen. Ich habe ihn gepackt und über mehrere Tische geschmissen. Später ist er mir mehrmals in der Gegend um den Chamissoplatz in Berlin über den Weg gelaufen. Wenn irgendein Blog-Leser dazu Näheres weiß, wäre ich dafür dankbar. Ich gehe noch immer davon aus, dass ich für meine Autobiographie alles recherchieren kann.
30.12.14  
Heute morgen. Der Zauber dauert nur 10 Minuten.

Noch vor dem Mittagessen 4 Kilometer. Diesmal mit dem Mountain-Bike. Weil die Reifen breiter sind, ist es noch anstrengender damit durch den Schnee zu fahren. Während ich fahre, beginnt es wieder zu schneien.
Mit der Post kommen Spezial-Fahrradhandschuhe, mit denen ich in Zukunft längere Strecken fahren kann, ohne dass meine Finger halb abfrieren.
Mit meiner ägyptischen Freundin fahre ich heute zur Post. Sie will 2 Bücher verschicken. Eins nach Brüssel, eins nach Paris. Als Brief kostet der Versand pro Sendung knapp zwanzig Euro. Als Päckchen weniger als die Hälfte. Aber Päckchen, belehrt uns die Postmitarbeiterin, müssen in einem Karton verpackt sein. Wir geben nach einer Diskussion nach. Die Postmitarbeiterin macht für uns die Pakete fertig und füllt den freien Raum mit luftgefüllten Plastikbeuteln auf. (von einem derartigen Service kann man in Berlin nur träumen!) Ich fülle die Päckchen/Paketzettel aus, die dafür jetzt nötig werden und entdecke, dass die Sendung nach Paris in die rue de Vaugirard geht. Nach dem Namen dieser Straße habe ich lange gesucht. Denn da habe ich mit meiner Freundin und späteren Frau in einer riesengroßen Altbauwohnung eine Woche gewohnt und bin nach dem Anschauen von "Letztes Jahr in Marienbad" zunächst Filmkritiker und dann Filmregisseur geworden. So muss es beim Autobiographie-Schreiben zugehen.
31.12.14  


Ich bin am Ende von Peter Berlings Autobiographie angekommen. Seine Rolle in "DETEKTIVE" hat er unerwähnt gelassen.
Ich wünsche allen Moana-Bloglesern ein erfreuliches Neues Jahr.
     

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